FOLGE 1

Das große Versprechen.


Oder: Warum @derdauertester 

das StrOptSystem -Zeugs

nicht haben will.

Wir trafen uns an einem nasskalten Oktobertag auf dem Wohnmobil-Stellplatz in der Westergellerser Heide. Fast zwei Jahre hatten wir uns nicht gesehen.

Michael streckte mir zur Begrüßung seine Rechte entgegen...

„Hallo mein Lieber“. 


Gleichzeitig hielt er in der Linken seine Visitenkarte, die er am langen Arm direkt unter meinem Kinn wippen ließ:

„Das hier ist genau richtig für Dich“. 

Mir fiel es wieder ein: 
Michael Schulz war in den 70gern Hamburger Meister im Amateur-Boxen. 
Die Elegance fließender, aber zielsicherer Abläufe seiner Armbewegungen verraten die sportliche Herkunft noch heute …

Höflich, aber wenig interessiert nahm ich ihm die Visitenkarte ab. 
Mit einem kurzen Blick auf das rote Logo erkannte ich, dass ich nichts erkannte.

Woher wollte Michael eigentlich wissen, dass „das genau richtig“ für mich ist?

Denn so gut kennen wir uns nun auch wieder nicht. Okay, wir sind beide passionierte Wohnmobil-Freaks. 
Michael auf eher kurzen Pfaden vor seiner Haustür südlich von Hamburg in Stelle/Maschen. Ich dagegen ständig vagabundierend auf Langstrecken zwischen Schweden und Portugal. 

Zwischen Michaels und meinen Routen liegen locker 20.000 Kilometer pro Jahr.

„Du bist Vielfahrer - das musst Du Dir unbedingt einbauen lassen“ schwärmte Michael unbeirrt weiter und zeigte auf die Visitenkarte, die ich jetzt zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her drehte. 

„Das ist eine sensationelle Erfindung!

Ich habe das Ding auch an Bord. 
Es bringt Dir ein völlig neues Fahrgefühl und Du fährst entspannter. 
Außerdem kannst Du Sprit sparen“.

„Ich werde das mal googeln und mich später dazu melden“, würgte ich Michaels Verkaufs-Euphorie ab. 
Michael hatte vor einiger Zeit Vertrieb und Einbauservice für das neue StrOptSystem in Norddeutschland übernommen.

Darum findet @derdauertester die Schwächen im System …

Ausgerechnet mir diese sensationelle Wunder-Box schmackhaft zu machen - damit hatte sich Michael ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. 

Denn er weiß: 
Ich bin für eines der führenden europäischen Auto-Magazine jahrelang Tests gefahren, um über Stärken & Schwächen von Sportfahrwerken, Sport-Abgasanlagen, Chip-Tuning, Bremsen-Tuning und Sport-Luftfilter zu berichten. 
Nach den Test-Veröffentlichungen besserten manche Hersteller nicht selten ihre Produkte nach… 

Also musste Michael schon sehr überzeugt sein, dass sein Produkt mich auch begeistern würde.

Mit berufstypischem Argwohn recherchierte ich zunächst alles, was über das System bisher an die Öffentlichkeit gelangt war. Meine Arbeit ergab ein kaum glaubhaftes Bild:

Angeblich soll nach knapp vier Stunden Einbauzeit des „Wunder-Equipments“ mein 4,8-Tonnen-Wohnmobil auf FIAT Ducato-Basis zum leichtfüßig rollenden Fahrzeug mutieren, das Reisen in neuen Sphären ermöglicht.

Die zehn heiligen Versprechungen

des Herstellers:

 

  • Weniger Fahrgeräusche
  • Mehr Motorleistung
  • Mehr Drehmoment bei niedrigeren Drehzahlen
  • Weniger Schaltvorgänge
  • Weniger Seitenwind-Empfindlichkeit
  • Besserer Geradeauslauf bei Spurrillen
  • Weniger Dieselverbrauch
  • Kein Eingriff in die Serien-Technik des Fahrzeugs
  • Keine TÜV-Abnahme erforderlich
  • Weniger Fahrstress für Fahrer und Co-Piloten.

 

Tolle Argumente. Schwer zu widerlegen, weil umfangreich dokumentiert. 
Dazu posten viele begeisterte User nur beste Erfahrungen. Keiner ist zu finden, der meckert.

Jedoch: Wie üblich sind die Katalog-Ansagen im Konjunktiv: „Könnte, ist möglich, sollte…“

Ich bleibe skeptisch, denn das Equipment ist…

…ein echt teurer Spaß & nichts für Erbsenzähler…

…und der Einbau ist kein finanzieller Pappenstiel. 
Knappe zweitausend Euronen für ein wenig Hier und ein wenig Dort beim Reisen - muss ich das wirklich haben? 
Oder mit dem Horizont eines Erbsenzählers gefragt: Lohnt es sich, soviel Geld dafür auszugeben?

Nicht wirklich, denn für knapp 2.000 Euro kann ich zweimal von Norddeutschland nach Andalusien und wieder zurück fahren. 

Das sind die Spritkosten für zwei Winter-Halbjahre  in warmer Sonne.
So wertvoll kann kein noch so mystisch-magisches Equipment sein. 

Denke ich. 

>>Lies nächste Woche, warum @derdauertester kalte Füße bekommt

  

 

@derdauertester

 

 

 

FOLGE 2

Meine Antwortsuche auf die Frage nach Wert und Gegenwert verdampft allerdings im Nichts, 
sobald die „Geld-Zurück-Garantie“ meine Ratio und meinen Bauch gekapert haben.

Mit Probezeit für Unentschlossene

Ja, Michael hatte es mir in die Hand versprochen: 
Falls mich das System nicht überzeugt, kann ich es innerhalb der ersten vier Wochen wieder ausbauen lassen und bekomme mein Geld zurück. Ehrenwort.

Okay, dann werde ich das Zeugs mal testen. Weil ich Michael ohne Ausnahme als ehrlich erlebt habe, schlage ich ein.

Wir vereinbaren den Einbautermin - noch vorm Jahreswechsel.
Direkt danach werde ich tausend Kilometer abspulen. Eine Woche Dänemark und retour. 

Sollte mich das System auf dem Trip nicht überzeugen, wird im neuen Jahr mein erster Werkstatt-Termin bei Michael sein: 
Wieder raus damit! Und Geld zurück…


Der Einbau.
Oder: Warum @derdauertester kalte Füße bekommt

Es ist halb elf am Mittwochvormittag, vor Weihnachten, als wir uns in einer stillgelegten Waschhalle am Rand eines kleinen Heide-Dörfchens bei Winsen/Luhe treffen.

Die Halle ist groß genug für ein ausgewachsenes Wohnmobil. 
Und eisig genug für den Einbau unter erschwerten Bedingungen …

Michael hat sein Handwerk als Kfz-Mechaniker gelernt. Temperaturen schocken ihn nicht. Er braucht nur Regen- und Windschutz.  Beides bietet die alte Waschhalle.

Für diesen sehr speziellen  Einbau hat sich Michael extra beim Hersteller schulen lassen.

Zwei große Werkzeugkoffer schleppt er nun an und die lassen mich Schlimmstes befürchten: Droht hier eine größere Operation, die mir am Ende vielleicht sogar ein lahmgelegtes Wohnmobil beschert? 

 

Mit Übernachtung in der Waschhalle?

Schlagartig habe ich kalte Füße. Nicht nur von der eisigen Luft in der Waschhalle…
Hoffentlich springt der Ducato nach der Montage wieder zickenfrei an. 
Sonst droht die Übernachtung in der Waschhalle.

Denn es geht hier nicht um den simplen Austausch eines Endschalldämpfers, oder Sport-Luftfilters. Sowas kann jeder Azubi in seiner ersten Lernwoche erledigen.

Hier geht es um ein mystisches Equipment, dass angeblich wahre Wunder hinsichtlich Fahreigenschaften und Seelenmassage für den Fahrer vollbringen soll.

Vor dem Einbau machen wir eine 15minütige „Vorher-Definitions-Fahrt“ über unterschiedliche Fahrbahnoberflächen: 
Flickenteppiche, Bahnübergänge, Landstraße erster Ordnung und ein Feldweg schlechter Ordnung wechseln sich ab.

Im Ducato Wohnmobil herrscht ein elendes Klang-Orchester. Polterndes Fahrwerk, schepperndes Geschirr in den Schränken und das metallische Dieselnageln vermischen sich zu einem strapaziös lauten Klangteppich, der Unterhaltungen mühsam macht.

„Nach dem Einbau wird alles ganz anders sein“, ruft mir Michael vom Beifahrersitz aus zu. „Leiser und  harmonischer“. 

Wir werden hören…

Es geht los.

Motorhaube auf, Plastikverkleidung über dem Ventildeckel rausgefriemelt und schon verschwindet Michaels Kopf samt Baseballkappe in den Tiefen des Maschinenraums. 

Ein Tubus mit geheimnisvollem Inhalt soll im Motorraum seinen Platz finden.
Als Pazifist erinnert mich dessen Form eher an ein Geschoß mit hoher Durchschlagskraft, als an einen akustischen Friedensspender.

Einem Marderschreck-System gleicht jener Aufkleber, der wohl zu neugierige Werkstattschrauber abschrecken soll: „Messgerät. Bitte nicht entfernen!“. 

„Finger weg“ hätte es auch getroffen.

Irgendwo im Heck des Wohnmobils muss dann noch das geheimnisvolle Pendent verschwinden.

Obendrein schleppt Michael  jede Menge unscheinbare, schwarze Kleinteile an, die an Einspritzleitungen, Diesel-Hauptleitung und  Starter-Batterie ihre Magie entfalten sollen...

Aus jedem dieser beiden Tubusse hängt noch ein einadriges Kabel. 
Dieses Kabel des Front-Tubus fixiert Michael an einer Schraube vom Motorblock.
Das Kabel des Heck-Tubus schließt er ans Plus-Kabel der Kofferraumleuchte an.

Nach knapp vier Stunden fummeln, schrauben, fixieren, 19 Kabelbindern und 2 Metern Klett-Klebeband weniger in seiner Werkzeugkiste hat Michael alle Teile fest eingebaut. 

Ein Multimeter zeigt, ob die gewünschte Spannung anliegt.
Ja, der Zeiger schlägt energisch aus. Also alles richtig gemacht.

Strom fließt jetzt also ständig. Ich hab´s befürchtet: 
Das System lutscht ab heute heimlich, still und leise meine Starterbatterie leer. 
Und der nächste Kaltstart endet am Smartphone in der Warteschleife des ADAC-Notdienstes.

 „Keine Sorge, das spielt sich nur im Milli-Ampere-Bereich ab“, beruhigt mich Michael. 
„Weniger, als die Selbstentladung der Batterie“.
Wie war die Formel? Minus plus Minus macht immer noch Minus…

Das ist der Moment, in dem ich innerlich mein Glaubensbekenntnis ablege: „Alles wird gut“.

 

>>Lies nächste Woche, warum @derdauertester vom System irritiert ist